Von Professor Dr. Klaus Eschenbruch

(Rechtsanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte und Honorarprofessor an der RWTH Aachen)

Einleitung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat im August 2019 ein neues Forschungsvorhaben unter dem Titel BIM Contracts auf den Weg gebracht. Das Vorhaben hat das Potenzial, die Vertrags- und Zahlungsabwicklung im Bau- und Immobiliensektor zu revolutionieren. Gegenstand ist ein automatisiertes Zahlungs- und Vertragsmanagement auf der Basis von sog. Smart Contracts und einer Blockchain-Architektur. Worum geht es im Detail?

Die Abwicklung von Bauvorhaben erfordert eine immer größere Anzahl von Beteiligten für Management-, Planungs- und Bauleistungen. Die Projektbeteiligten arbeiten in aller Regel auf der Grundlage jeweils abgeschlossener bilateraler Verträge zusammen. Es entstehen komplexe Vertragsnetze, die z.T. hierarchisch in mehrere Unternehmerebenen gegliedert sind. Diese Vertragsbeziehungen sind in hohem Maße störanfällig und eine Vielzahl von Auseinandersetzungen, bedingt auch durch fehlendes Vertrauen zwischen den einzelnen Marktteilnehmern, prägt die Branche. Insbesondere der Zahlungsverkehr unterliegt immer wieder Störfaktoren, wobei die nicht rechtzeitige Bezahlung von Abschlags- und Schlussrechnungen einzelner Beteiligter Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Vertragsabwicklung und eine ganze Unternehmerkette haben kann. Bisherige Gegensteuerungsmaßnahmen des Gesetzgebers, wie das Gesetz zur Beschleunigung von Zahlungen (2000) und das Forderungssicherungsgesetz (2008) sowie die Reform des Bauvertragsrechts (2017/2018), haben zu keiner nennenswerten Veränderung geführt. Auch die derzeit vielfach diskutierten Partnering-Modelle haben an einem der wesentlichen Grundübel, dem oftmals nur händisch und z.T. auch willkürlich geführten Zahlungsverkehr, nichts ändern können. Mit digitalen Werkzeugen soll nun eine neue Grundlage für ein partnerschaftliches Zusammenwirken bei einem weitgehend ungestörten Zahlungsverkehr eröffnet und ein erheblicher Beitrag für die kooperative und zeitgerechte Zusammenarbeit der Beteiligten in den Bau- und Immobilienmärkten gelegt werden.

Inhalt des Forschungsvorhabens im Überblick

Mit der zunehmend eingesetzten Arbeitsmethode BIM (Building Information Modelling) werden erstmals Grundlagen für ein datengestütztes Management, Planen und Bauen gelegt. In der Planungswirtschaft werden dabei datenbankbasierte Planungsmethoden eingesetzt, die zur Erzeugung digitaler (virtueller) Bauwerksmodelle (Digital Twins) führen. Diese zunächst geometrisch basierte, auf virtuellen BIM-Objekten beruhende Planungsmethodik ermöglicht es, die einzelnen (virtuellen) Bauteile mit weiteren Informationen, u.a. für Termine und Kosten, zu verbinden. Die datenbankbasierte Planungsmethodik eröffnet auch die Möglichkeit, die geometrischen Informationen (wie Flächen und Räume) eindeutig zu erfassen und zu verarbeiten und mit Informationen für Kosten/anteilige Vergütung zu belegen. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, aus dem Planungsmodell selbst Ausschreibungs- und Abrechnungsmodelle zu entwickeln, die eine Grundlage für eine transparente, eindeutige und störungsfreie Rechnungslegung und -bezahlung bilden können.
In Verbindung mit Smart Contracts lassen sich Prozesse (wenn-dann-Beziehungen) entwickeln, in deren Rahmen automatisiert oder teilautomatisiert Leistungsbestätigungen eingehen und, darauf gestützt, automatisierte Zahlungsflüsse erzeugt werden. Derartige Leistungsbestätigungen können bei Linienbaustellen etwa über Drohnenbeflug, bei Hochbauleistungen z.B. durch Tableteingaben der zuständigen Objektüberwachung, erzeugt werden. Die Technologie bietet die Chance, Zah­lungsflüsse über einzelne Hierarchieunternehmen von Bauunternehmern abzuwickeln und für eine zeitnahe Bezahlung der am Bauprozess Beteiligten zu sorgen.

Wenn diese Prozesse durch die Blockchain-Technologie abgesichert werden und die in diesem Kontext erzeugten Daten unveränderbar für alle Beteiligten zur Verfügung stehen, ergibt sich eine neue Grundlage für eine transparente, zeitnahe, vertrauenswürdige sowie ausfallsichere Abwicklung des Zahlungsverkehrs im gesamten Bauwesen. Die Blockchain-Technologie schafft dabei insbesondere eine transparente, dezentrale Datenbanklösung, die fälschungssicher alle Daten der relevanten Verträge und deren Abwicklung für die am jeweiligen Bauprojekt Beteiligten bereithält.

Entsprechende Thesen wurden erstmals in einem Fachaufsatz des Verfassers dieses Artikels niedergelegt, welche alsdann von einem größeren Forschungsgremium aufgegriffen wurde. Mitglieder der Forschungsgemeinschaft sind die Universitäten Duisburg, Essen und Bochum, die den entsprechenden Input für die Entwicklung der BIM- und Blockchain-Technologie mitbringen, die Freundlieb GmbH, ein mittelständisches, innovatives Bauunternehmen aus Dortmund, welches die Anwenderseite einbringt, die Adesso AG, die die Softwareentwicklung übernommen hat und Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, welche die (vertrags-)juristische Umsetzbarkeit des Vorhabens sichern.

Herausforderung

Im Rahmen des Forschungsvorhabens sind große Herausforderungen zu bewältigen. Das Bauwesen ist gekennzeichnet durch eine Typenvielfalt bei Bauverträgen und Abrechnungsformen. Hier gilt es, Referenzarchitekturen zu erarbeiten, die Grundlage für eine Digitalisierung sein können. Der Abrechnungsverkehr muss prozessorientiert in Einzelprozesse zerlegt werden, wobei jeweils zu prüfen sein wird, ob herkömmliche, hintereinandergeschaltete Prüfschleifen in Zeiten der Digitalisierung noch Sinn machen. Auf dieser Grundlage müssen Anforderungen an BIM-basierte Abrechnungsmodelle entwickelt und auf die jeweilige Referenzarchitektur abgestimmt werden. In Verbindung mit Zahlungsdienstleistern müssen Methoden für digital ausgelöste Zahlungsvorgänge abgestimmt werden. Digitale Leistungsbestätigungen werden zu definieren sein, und zwar einhergehend mit neuen Rollen und Verantwortungsmodellen für die einzelnen Beteiligten. Zur Sicherstellung eines transparenten und vertrauenswürdigen Datenverkehrs soll die Blockchain-Technologie eingebunden werden. Alle Einzelaspekte dieser Lösung beinhalten eine Reihe auch vertragsjuristischer Problemstellungen. Diese betreffen sowohl die Smart-Contract-Abwicklung, als auch AGB- und datenschutzrechtliche Problemlagen, letztere insbesondere im Hinblick auf den Einsatz der Blockchain-Technologie. Sichergestellt werden muss auch, dass Auftraggeber aufgrund der automatisierten Zahlungsprozesse ihre Rechte und Befugnisse betreffend Leistungsverweigerung und Gewährleistungsansprüche nicht verlieren.

Die Lösung

2022 soll eine softwaretechnisch ausgearbeitete Lösung demonstriert werden. Diese soll unter Berücksichtigung aller geltenden technischen Standards Anknüpfungsmöglichkeiten für Projektplattformen (Common Data Environments) beinhalten und auch an die zukünftige deutsche BIM-Cloud angebunden werden. Auftraggeber und Auftragnehmer können alsdann Nutzer dieser Lösungen werden.
Die Basislösung 2022 wird allerdings nicht sämtliche, in der Praxis vorliegenden Abrechnungsmodelle berücksichtigen können. Hier wird es auf der Basis der einmal erarbeiteten Referenzarchitektur voraussichtlich zügig weitere Softwareprodukte geben, die die erarbeitete Lösung auch auf andere Anwendungsfälle übertragen.
BIM Contracts kann ein wichtiger Baustein für eine Partnering-Strategie im gesamten Bau- und Immobilienwesen werden. Eine Partnerschaft lässt sich in diesem Kontext nicht nur durch Zusagen in Bezug auf partnerschaftliches und vertrauenswürdiges Verhalten oder neue Organisations- und Vertragsmodelle erreichen, sondern erfordert die Gewährleistung ungestörter Zahlungsflüsse.

 

Dieser Beitrag ist im „Immobilienmanager Special 11-2019“ (Seiten 16 und 17) erscheinen. Die Wiedergabe des Textes erfolgt mit Genehmigung des Verlags.